POESIESALON spezial: poets4future


Lyrische Antwort auf die Verhaftung der Kapitänin Carola Rackete.

Kathrin Schadt liest das Gedicht auf der internationalen Poesieveranstaltung

"poesia sin censura" gegen Rassismus und Ausgrenzung am Samstag,

den 6. Juli 2019 um 17 Uhr im Kulturzentrum "Metropolità" in Barcelona.

 

Kathrin Schadt

ich stell mir vor wir wärn ein wunder

(vgl. Das Hohelied der Liebe, 1.Korinther 13 & Aquarius, Hair 1968)

Ins Spanische übertragen von Esther Andradi

 

ich stell mir vor wir wärn ein wunder

gestrandet auf einem heimatlosen boot

um einen anfang zu finden

nenn ich uns deukalion und pyrrha, einverstanden?

und wenn wir unsere ganze habe verschenkt hätten

und in den sprachen der menschen redeten

und prophezeien könnten

und wenn wir alle geheimnisse statt koffer bei uns trügen

und darin alle erkenntnisse hätten

mit denen wir berge versetzen könnten

wer würde uns empfangen?

uns an der "lifeline" an land ziehen

aufnehmen mit "open arms"

isn´t this the dawning of the age of aquarius?

das wassermannzeitalter wirft uns im sturm richtungsseile zu

so lange ist noch kein hafen in sicht

wo unser anker auf grund sinken darf

so lange ist noch kein ufer in reichweite

wo vertäut wird was auf der flucht war

erst dann werden wir die sintflut überlebt haben und am berg parnass leinen werfen

und steine - die alte last - hinter uns

aus denen endlich neue menschen entstehen werden

langmütige, gütige menschen

die sich nicht ereifern, nicht prahlen, nicht aufblähen

die nicht ungehörig handeln, nicht nach ihrem vorteil suchen

die sich nicht zum zorn reizen lassen

sich nicht über das unrecht freuen, sondern an der wahrheit

stell ich mir vor

dass sie alles ertragen, alles hoffen, allem stand

halten

zusammen

 

 

me imagino que éramos un milagro

varados en un barco apátrida

para encontrar un principio

nos llamaríamos deucalión y pirra, ¿de acuerdo?

y me imagino que repartiríamos todos nuestros bienes

y hablaríamos las lenguas de los ángeles y de los hombres

y tendríamos el don de profécia

y en vez de maletas poseíamos todos los misterios

 y con ellos todos los conocimientos

como para mover montañas

quién nos acogería así?

quien nos llevaría a la ‚lifeline‘ de la orilla

quién nos recibiría con ‚open arms‘

isn´t this the dawning of the age of aquarius?

la era de Acuario nos arroja durante la tempestad unas cuerdas de orientación

hasta tanto no haya puerto a la vista

donde podamos echar nuestras anclas

donde finalmente haya una orilla al alcance

donde amarrar lo que trajo la huida

recién entonces habremos sobrevivido al diluvio

y arrojaremos nuestros cabos al parnaso

como arrojaremos las piedras – nuestro viejo lastre - tras de nosotros

y de estas piedras renacerán nuevos seres humanos

seres pacientes y serviciales

que no saben nada de envidias, de presunciones, ni de orgullos

que no son groseros, egoístas

que no se irritan

que no se alegran con la injusticia

se alegren en la verdad

me imagino

que estos nuevos seres humanos

resistirán sin límites creerán sin límites tolerarán sin límites

juntos

 

 


Kathrin Schadt, geb. 1979. Studierte am Deutschen Literaturinstitut Leipzig. Mehrere Publikationen, Preise und Stipendien. Veröffentlicht hat sie außerdem als Journalistin in Printmedien, darunter DIE ZEIT, FAZ. Ihre Bücher und Texte wurden ins Spanische, Englische, Französische, Chinesische und Polnische übersetzt. Momentan bewegt sich ihr Leben zwischen Berlin und Barcelona. Autorenseite bei Fixpoetry

 

Publikationen u.a.

Weitertragen, edition riedenburg, Salzburg 2018, medizinisches Sachbuch

Señoritas, parasitenpresse, Köln 2015, Lyrikbändchen/Gemeinschaftsprojekt

Tim lebt, adeo Verlag, Asslar 2015, medizinisches Sachbuch

Lilium Rubellum, Horlemann-Verlag, Berlin 2014, Debütroman

Der verlorene Stern, Schaltzeit-Verlag, Berlin 2014, Kinderbuch