steht das Haus meiner Kindheit.
Geschichten wohnen darin,
und unter den Dielen
liegen noch die Schreie.
Ich stoße meine Stimme
in die Dinge
und setze Frühlinge
in den Boden.
Doch Mutter steht wie damals
am Bücherregal
und erntet Zeilen,
die sie mittags auf die Teller streut.
Auf meinen Lippen
riechen die Worte
verbrannt.
Es gibt keinen Halt,
nicht im Kinderbett
an der Tür der guten Träume,
nicht auf der Schaukel,
nicht an den Widerhaken der Zeit.
Und es brechen die Gräser,
die Äste,
die Stimmen der Kindheit,
während der Putz von den Wänden fällt:
Von Erinnerungen bröckeln
die Farben.
Und Mutter näht nicht mehr
die Tage zusammen,
im Wohnzimmer, wenn wir schlafen,
prüft nicht mehr den Saum
dieser Stunden,
die fransen.
Aus meinem Kopf
wirft ein Haus
Schatten
weit über die Grenzen
der Haut.
Wir sind aus demselben Holz geschnitzt
wie die Bretter vor den Köpfen,
tragen schwer an Meinungen
hinterm Berg.
Du bist für mich Luft-
angriff allein
auf weiter Flur
und nur
wenn ich am Rad
drehe, bewege ich mich weiter
ins Blaue.
Die nächsten Schritte setzt du
in den Sand.
Ich rühre keine Hand
am Saum des Meeres.
Leer sind meine Taschen.
Wir waschen unsre Hände
in Schuld und uns die Köpfe
mit allen Wassern,
bis wir
über unsre Worte stolpern.
Groß sind sie geworden
wie wir.
Sigune Schnabel, geb. 1981 in Filderstadt, Diplomstudium Literaturübersetzen in Düsseldorf. Zahlreiche Veröffentlichungen in Anthologien und Zeitschriften, z. B. Die Rampe, Krautgarten, Wortschau und mosaik. Verschiedene Preise, u.a. Thuner Literaturfestival Literaare und Ulrich-Grasnick-Lyrikpreis 2017 sowie postpoetry.NRW 2018. Einzeltitel: Apfeltage regnen, Geest-Verlag, Vechta 2017; Spuren vergessener Zweige, Geest-Verlag, Vechta 2019. Link zur Homepage der Autorin: www.sigune-schnabel.de
-> siehe auch INTERVIEW für den 21.Nahbell-Hauptpreis 2020 "DIE VERGÄNGLICHKEIT DES EINSSEINS"