das gras saftig grün
nebenan sterben menschen
die sonne sagt nichts
(24.11.2020)
alles nimmt sich wahr.
sich gegenseitig wahr.
wird wahrgenommen durch sich selbst.
in jeder selbstsekunde.
selbst die sekunde.
alles ist sport.
alles sehen. alles denken. alles fühlen.
alles reden. alles laufen. alles liegen.
alles atmen. alles sterben.
alles passiert. alles wird getan.
alles ist eine sportart.
das universum ist ein sportler.
jedes staubkorn trainiert.
ohne ziel und ohne zweck.
das dasein trainiert, um es selbst zu sein.
kein sieg und kein verlust.
kein niemand, der gewinnen will.
kein niemand, der verliert.
das training findet immer schon
ganz ohne teilnehmer statt.
die geräte trainieren sich selbst.
das selbstgespräch des seins.
der sportverein hat keinen namen.
amen.
(2019)
Ich spüre alles absolut.
Auch das Wort "ich":
es ist ein Gedanke neben allen anderen.
Man baut damit Sätze.
Es geht schneller, "ich" zu sagen,
als großartig zu erklären,
wer das genau ist.
Da ist es nämlich bereits ein anderes.
Ein einziges, großes, letztes "wer"
konnte ich nirgends entdecken.
Es ist nur ein Wort.
Man baut damit Sätze.
Blumen blühen ohne Worte.
Galaxien wirbeln ohne Worte
um ihre schwarzen Löcher.
Ich ist nur ein Wort.
Gott ist nur ein Wort.
Das Absolute ist nur ein Wort.
Wer braucht Worte,
wenn er "niemand" ist?
Ich spüre alles absolut.
Oder richtiger (ohne das Ichwort):
Das Spüren spürt alles absolut.
Das klingt aber fürchterlich erleuchtet.
Ich mag diesen Spirijargon einfach nicht.
Es klingt so fürchterlich wichtigtuerisch.
Heiliges Geschwafel.
Ich mag mich normal unterhalten.
Von Ich zu Ich.
Obwohl es uns nicht gibt.
Wir können uns wortlos
in die Augen schauen
und breit grinsen.
Begegnung braucht keine Ichs.
Begegnung passiert
zwischen realen Menschen.
Aus Fleisch und Blut.
Wir halten uns an den Händen und sagen:
"Ich liebe Dich."
Was wir aber meinen, ist in Wahrheit:
"Unsere Hände halten sich."
Das ist konkret.
Das ist absolut konkrete Liebe.
Das ist das echte Leben.
Das ist die Wahrheit.
Genügt Dir diese Wahrheit nicht?
Alles spürt sich absolut.
Was für ein Satz!
ALLES SPÜRT SICH ABSOLUT.
Es fehlt nichts.
(2.9.2015)
Ich sitze auf einer Wiese.
Unter mir Grashalme.
Ich sehe die Wiese.
Ich sehe die Grashalme.
Grashalme? Wiese? Ich?
Die Grashalme und ich?
Werden gesehen.
Ich? Und? Die Grashalme?
Werden gesehen!
Ich schaue mir alles genauer an:
Ich nehme den einzelnen Grashalm wahr.
Nehme ICH einen GRASHALM wahr?
Wer nimmt was wahr?
WER bin ich?
Was ist das UND?
Und WAS ist der Grashalm?
Ich schaue den menschlichen Körper an, der auf dieser Wiese sitzt.
Ich bin der Körper.
Der sitzt.
Ich bin die Augen.
Die sehen.
Ich bin die Organe.
Ich bin das Gehirn.
Und der Zeh.
Und die Lunge.
Ich bin die Luft in den Lungen.
Ich bin die Atome, aus denen mein Körper besteht.
Ich bin die Leere zwischen all diesen Atomen.
Ich bin das quantenmechanische Energiemeer in den Atomen.
Ich bin die Leere der Quantenstruktur.
Ich bin die leere Lunge.
Die Luft in der Lunge.
Ich bin die leere Luft.
In der Lunge.
Und ausserhalb.
Ich bin die Luft, die mich durchströmt.
Die von der Wiese hinüberweht und beim Ausatmen die Grashalme erzittern lässt.
Ich bin der zitternde Grashalm in meiner Nähe.
Der grüne Grashalm.
Das zitternde Grün.
Ich bin nichts anderes als das Grün, das ich sehe.
Ich bin das bewusste Grün.
Das bewusst gewordene.
Die Bewusstheit des Grüns.
Die Bewusstheit von allem, was da ist.
Ich sehe das Grün.
Und ich sehe das Sehen.
Das Auge empfindet sich selber als SEHEND.
Ich bin das bewusste Auge.
Das Auge, der Grashalm, die Luft und die Leere.
Mein Ich ist das alles, was durch die Wahrnehmung bewusst wird.
Bewusst wahr genommen.
Bewusst. Wahr. Genommen.
Mein Ich ist die Wahrheit der ganzen Bewusstheit.
Das wahre Grün.
Die bewusste Leere.
Die leere Bewusstheit.
Das leere Grün.
Das grüne Ich.
Das wahre Ich.
Das leere Ich.
Die leere Wahrheit.
Das Ich: auf einer Wiese sitzend.
Das Ich: Grashalme unten.
Das Ich: Wind weht.
Das Ich: Lungen atmen.
Das Ich: der Gedanke "das Ich".
Sprache spricht.
Augen sehen.
Lungen atmen.
Grashalme zittern.
Alles bewusstes Ich.
Das ichbewusste Leben.
Leben: sich selber bewusst geworden.
(9.4.2017)
Pier (aka Pia, Paul, Peter) Zellin, geb. 9.9.1974 in Berlin, lebte nach einer mehrjährigen Weltreise auf den Spuren der "New-Age-Bewegung" (Stationen u.a. Esalen-Institut, Findhorn und Auroville) zunächst wieder im Berliner Bezirk Neukölln, studierte vorher Religionswissenschaften und Germanistik in Göttingen. Als Kind eines Gurus lernte er schon früh den "Zirkus um die Erleuchtung" in der Spiriszene kennen und wurde gezwungen zu meditieren. Seit 2014 lektorierte er als Pressesprecher des anonymen Autorenkollektivs "Liga der Leeren" (LDL) deren Manifeste für die Homepage URRUHE.de, betreute den dazugehörigen Twitter-Account, den YouTube-Kanal mit der Playlist "Präsentik" und die Facebook-Fanseite. Im Oktober 2015 wurde er beurlaubt und zog zu seiner Zwillingsschwester Pia nach Kapstadt. 2017 pendelten sie ein Jahr lang zwischen Kapstadt (Südafrika), Berlin (Deutschland), Santa Monica (Los Angeles) und Bay Area (San Francisco), aber seit Sommer 2018 befinden sie sich auf permanenter Weltreise auf allen Kontinenten, um sich durch konspirative Treffen mit anderen transspirituellen Aussteigern einen Überblick über den Zustand des "human potential" in der Szene der Sinnsucher zu verschaffen. Am 21.6.2022 erhielt die LDL den 1.Nahbell-Nebenpreis "für den unerwarteten Essay". Homepage: NULLYOGA.de; Publikationliste: URYOGA.de (aktuellstes 8.Buch: "IMMUN - JEDER MENSCH IST EIN DIPLOMAT", BoD 2020); social media: Instagram @nullyoga & Twitter @URRUHE