-> AUTOR DER PILOTLESUNG 2023 DER LESEREIHE "POESIEPANDEMIE"

 

Harald Kappel


DunkelfeldAnalyse

 

wir laufen

lebenslänglich

auf dünnem Eis

sehen fern

und brechen

nah

im Dunkelfeld

analysieren wir

warm

unser Vitalblut

pressen

Fingerbeeren

und Ohrläppchen

schmerzhaft

trennen wir

in den Zentrifugen

Gesagtes

von Gedachtem

was bleibt

sind Symbionten

und Silbersalze

im Schwarzlicht

flammt

ein Elmsfeuer

wir leuchten

lebenslänglich

im Schatten

sind blind

auf dünnem Eis

sehen fern

und brechen

nah

Limbisches System

 

im Alltag

ist Massenpanik
eine vollständige Eigenschaft des Möglichen
das Denken wie Metall
kreist um Magen und Darm
Magnete bestimmen die Ausrichtung
die Zukunft wird vernagelt


nach dem Beben
liegen
gefaltete Körper
in der Bucht
schwarz leuchtet der Saum im Tomograph
sein Fleisch hat Ähnlichkeit
mit Wolken


Verschwörungstheorien
rotieren zähflüssig
im Mandelkern
infizieren die Vernunft
Magnete bestimmen die Ausrichtung
das limbische System
eine vollständige Eigenschaft des Möglichen

 

Quarantäne

 

in der Fabrik

Blut und Sägemehl
das Holz
lebt mit unbestimmter Neigung
aus Langeweile
knete ich
die Unschärfe der Matrizen
schnitze Puppen
kaue ihnen
Brot und Algebra in den Mund
Widerspruch
bringe ich in Anrechnung
gewiss ein Impuls der Projektion
das Knechten
erscheint
in der Isolation
gescheit
das Verhalten
unbestimmt
die Geduld ist
aufgebraucht
schnell wird die plastische Form
Impuls der Position
ich knete
in der Fabrik
Blut und Sägemehl
meine Geduld ist
aufgebraucht

 


Harald Kappel (*1960) aus Aachen. Arzt, Studium Kommunikationswissenschaft mit Schwerpunkt "Kreatives Schreiben". Postpoetry-Lyrikpreisträger des Landes NRW (2019). Gern kombiniert Kappel auf Lesungen seine Gedichte mit (Live-)Sound zu lyrischen Klangbildern (z.B. auf zwei Produktionen der Züricher Literaturzeitschrift "Stereofeder"). PUBLIKATIONEN: Roman "Gegenströmung" (2005), Gedichtbände: "Mondvoll" (2013), "Kaminfegerschnee" (10 Gedichte, Literaturautomat.eu, Deutschland 2019), "Mandeln und Fjorde" (Gedichtbox, Literaturautomat.ch, Schweiz 2019), "aus den Geistesanstalten" (Privatdruck, Künstleredition 2020) und ab 2022 mehrere Publikate, z.B. "Stereotomie" & "Retrograde". 2021 erhielt er den Nahbellpreis. Lyrik in zahlreichen Literaturzeitschriften und Anthologien, u.a.: "Der Dreischneuß" (Lübeck), "WORTSCHAU" (Düsseldorf), "Am Erker" (Münster), "klischée" (Heidelberg), "MAULhURE" (Essen), "Ratriot" (Essen),  "Stereofeder" (Zürich), "Seitenstechen" (Erlangen), "silbende_kunst" (Köln), "Honich" (Leipzig), "KLiteratur" (Köln), "Prolog" (Berlin), "Die Leere Mitte" (Berlin), "DreckSack" (Berlin), "ausreißer" (Graz), "erostepost" (Salzburg), "neolith" (Wuppertal), "delirium" (Zürich), "mosaik" (Salzburg).