Barbara Peveling


mein geliebter pinguin, du

 

nachts schwimme ich wieder mit den walen
wir sind sechs oder sieben,
im tiefen wasser erkennt man sich
schlecht wir stoßen singende laute aus,
es ist wie fliegen nur schöner wir
tauchen tiefer, werden schneller
werfen die körper in die höhe auf einmal
habe ich keine angst mehr, hatte doch
immer angst vor dem wasser vor den tiefen
besonders an deiner seite zitterte ich dabei
habe ich viel zu früh schwimmen gelernt
von dem ehrgeizigen vater der nichts
zu ende brachte, nicht mal das eigene
leben so lernte ich wenigstens brust
das kraulen habe ich längst aufgegeben
wie so vieles an deiner seite.
du plätscherst im seichten wasser
nicht mal retten könntest du
mich, rufe ich dir zu & wieder
sind die wale an meiner seite
orkas leuchtend wie die nacht sie
haben mich in ihre mitte genommen ihre
köpfe wackeln hin & her, sie wollen mir
etwas sagen, ich aber nicke
& wieder gehen wir auf die jagd
schwimmen immer schneller dort
auf der sandbank träumen
pinguine, ich bin gestrandet
schlage mit einer flosse zu
mit der anderen steuere ich
zurück ins meer, die wale sind
schon da, sie beißen
die beute, reißen dich
in stücke.

 


mein asteroid

 

der gedanke an dich
reißt mich aus dem schlaf
um diese zeit
sagen sie
kann man den kometen sehen
eine schmalspur licht am horizont
auf der straße nichts
um diese zeit
kein mensch unterwegs
ein hund bellt
ein motor heult
um diese zeit
sind nur sterngucker auf
oder liebende.
hinter der autoscheibe
kann ich ihr lachen sehen
als er sich über sie beugt
sie den kuss erwidert.
um diese zeit
haben wir uns oft geliebt
so ein schmalspurmorgen
war das pure glück
wir haben die zeit vergessen
himmelsgestirne.
heute umkreisen wir uns
ich auf der erde
du der komet
ein schweif ist
nicht mehr zu sehen.

 


eng sind die wände

 

pass auf die schildkröte beißt
mahnt der hinkende hausmeister
zwischen den messern sitzen kakerlaken
von unten klagendes geschrei
im treppenhaus riecht es nach urin
säuglinge auf dreirädern schwirren
im hausflur umehr schlagen an die tür
der tisch ist hungrig ich sollte ihn füttern
passenger steht auf der schildkröte.

 


#metoo

 

ich war das glücklichste spermium
im hodensack meines vaters

 




 

Barbara Peveling, 1974 in Siegen geboren, wuchs in Deutschland und der Schweiz auf. Nach einem längeren Aufenthalt in Israel promovierte sie in Ethnologie und Geschichte in Tübingen und Paris. Für ihre Doktorarbeit lebte sie einige Jahre in einem jüdisch-muslimischen Stadtteil von Marseille. Ihre Dissertation wurde 2015 mit dem Manfred Görg Preis ausgezeichnet. Mit dem Roman "Wir Glückpilze" debütierte sie 2009 bei dem Verlag Nagel und Kimche in Zürich ("Dieser Roman ist ein Griff ans Herz", Michael Weber). Ihr Roman "Rachid Rebellion" erschien 2017 im Goldegg Verlag, Wien. Im Januar 2021 erscheint in der Edition Nautilus die Anthologie "Reproduktion Reloaded – Kinderkriegen Revisited", die Barbara Peveling zusammen mit Nikola Richter herausgibt. Preise und Auszeichnungen: 2006 Finalistin Open Mike, Goldegg Autorenstipendium 2015, Atelier NRW 2017, Preis der Buchmesse Ried 2019, NRW-Regionsschreiberin 2020. Barbara Peveling lebt mit ihrer Familie in einem Pariser Banlieue und in der Nähe von Köln.

Bibliographie: www.barbarapeveling.com