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"Das Programm zielt auf einen Wiederbeginn des kulturellen Lebens in Deutschland, also auf die Zukunft",
sagte Kulturstaatsministerin Grütters in ihrer Rede vor dem Deutschen Bundesrat am Freitag, 5. Juni 2020 in Berlin
© 2020 Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
Sehr verehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren!
„Zukunftsmusik“ nennen wir im Deutschen, was gegenwärtig
nicht verwirklicht werden kann, aber zumindest als Möglichkeit verheißungsvoll klingt. Man braucht derzeit ja wahrlich ein feines Gehör, um im Lärm der Gegenwart solche Zukunftsmusik noch zu
vernehmen.
Corona beherrscht den Alltag, und das heißt: Ungewissheit, wie sich die Situation entwickelt, nährt Zukunftsängste. Selbst dort, wo sonst mit Leidenschaft Kunst gelebt und Zukunftsmusik gespielt
wird, gibt im Moment der Infektionsschutz den Ton an. Konzertsäle, Opern, Musikclubs, Theater, Kinos und andere Kulturorte sind im Stillstand. Was das für Künstlerinnen und Künstler, für
Kultureinrichtungen und Unternehmen der Kulturbranche bedeutet, wissen wir alle, weiß ich nicht zuletzt aus den unzähligen Telefonaten und Briefen, in denen Betroffene mir – und natürlich auch
vielen von Ihnen – ihre Sorgen und Nöte schildern. Wir kennen die Verzweiflung. Wir haben auch Verständnis für die Existenzängste. Und wir alle leiden, denke
ich, ein Stück weit selbst – als Menschen, als begeisterte Kulturliebhaber und als Politiker.
Ich bin in tiefer Sorge um die kulturelle Vielfalt, die in Deutschland über Jahrzehnte gewachsen ist. Übrigens nicht zuletzt dank einer staatlichen Kulturförderung, die wirklich weltweit
ihresgleichen sucht. Diese Sorge kommt ja auch in Ihrem vorliegenden Entschließungsantrag zum Ausdruck. Deshalb waren wir uns alle von Anfang an einig in unseren Bemühungen, die im Kultur- und
Medienbereich von den Schließungen Betroffenen so schnell, so gut und so umfassend wie möglich zu unterstützen. Die vielfältigen Hilfsmaßnahmen des Bundes und der Länder zeugen davon in
eindrucksvoller Weise. Sie haben sich in vielen Bereichen – ich denke zum Beispiel an die Soforthilfen, die sowohl vom Bund als auch von den Ländern kamen – gut er-gänzt und bewährt.
Trotz allem werden uns die Folgen der pandemiebedingten Schließungen wohl noch lange Zeit begleiten. Deshalb bittet der Bundesrat die Bundesregierung ja, weitere, auch langfristig wirkende Hilfen
für Kultureinrichtungen und Kulturschaffende zur Verfügung zu stellen, um die für die Kultur hoheitlich zuständigen Länder darin wirksam zu unterstützen.
Sie können sich vorstellen, dass ich mich sehr gefreut habe, dass auch der Koalitionsausschuss des Bundes sich der Tragweite der Kultur sehr bewusst ist und in seinem Beschluss von vorgestern die
Kultur mit einem eigenen Hilfspaket in einem Volumen von – ich darf das schon mal sagen – sage und schreibe einer ganzen Milliarde bei BKM bedacht hat. Das ist immerhin die Hälfte meines
sonstigen Jahresetats, der noch draufkommt, um die pandemiebedingten Folgen für die Kultur zu mildern.
Worum geht es dabei? Das Programm – wir nennen es „NEUSTART KULTUR“ – zielt, wie der Name schon sagt, auf einen Wiederbeginn des kulturellen Lebens in Deutschland, also auf die Zukunft. Es soll
vier Schwerpunkte haben:
Erstens pandemiebedingte Investitionen in Kultureinrichtungen, zum Beispiel zur Umsetzung von Hygienekonzepten, die jetzt ja überall nötig
sind. Das überfordert, was die Baumaßnahmen angeht, die eine oder andere kleine Einrichtung. Deshalb wollen wir hier helfen.
Zweitens finanzielle Unterstützung und echte Nothilfen für vor allem privatwirtschaftlich finanzierte kleinere und mittlere
Kultureinrichtungen und -projekte. Ich denke an Festivals, an Privattheater, an Musikclubs, an Kinos, die Sie ja alle in Ihren Regionen vorfinden.
Drittens aktive Kulturproduktion – es ist uns wichtig, dass die Künstler wieder ans Arbeiten kommen – und die Förderung alternativer
Vermittlungsformen. Dabei haben wir vor allen Dingen an digitale Angebote gedacht und Vermittlungsformen, die sich während der Krise schon vielfach bewährt haben; wir haben das allenthalben im
Netz erlebt.
Viertens geht es um den Ausgleich von Einnahmeausfällen und Mehrausgaben bei von meinem Haus bereits geförderten Einrichtungen und natürlich
bei den von den Ländern und dem Bund gemeinsam geförderten Häusern nach dem entsprechenden Verteilungsschlüssel.
In „NEUSTART KULTUR“ enthalten sind auch Bundeshilfen für den privaten Rundfunk – das Land Rheinland-Pfalz und Frau Dreyer haben einmal mehr auch in den Koalitionsberatungen darauf hingewiesen –, weil dessen Finanzierung über das Werbegeschäft praktisch gänzlich zum Erliegen gekommen ist. Angesichts des Informationsbedarfs der Öffentlichkeit gerade in Krisenzeiten wollen und müssen wir, glaube ich, hier akut helfen, selbstverständlich unter Wahrung der Länderzuständigkeit und Einbeziehung der Landesmedienanstalten.
Außerdem kommen viele andere Beschlüsse des Koalitionsausschusses der Kultur zugute, zum Beispiel die Überbrückungshilfen, die im Wirtschaftsministerium für kleine und mittelständische Unternehmen vorgesehen sind. Zudem erscheint mir die vereinbarte Stärkung der Kommunen besonders wichtig. Sie tragen immerhin – das übersehen viele – fast die Hälfte der öffentlichen Kulturausgaben und werden hier noch einmal spürbar entlastet.
Mit „NEUSTART KULTUR“ wollen wir deutlich machen:
Wir blicken nach vorne. Es werden nicht rückwärtsgewandt Einnahmeausfälle kompensiert, sondern wir blicken nach vorne. Wir stärken die vielseitige und sehr lebendige – noch ist sie das –
Kulturlandschaft in Deutschland. Wir sichern vor allem die Infrastruktur und schaffen damit gleichzeitig wieder Beschäftigungs- und Erwerbsperspektiven für alle im Kulturbereich Tätigen. Denn
alle unsere Bemühungen um einzelne Kulturschaffende gerade durch die Soforthilfen und – ich muss daran erinnern – durch das großzügige und sehr gute Sozialschutzpaket sowie durch die Stipendien-
und Förderprogramme vieler Länder gingen ja ins Leere, wenn den Künstlern am Ende der Krise keine Infrastruktur, das heißt keine Arbeitsplätze und Betriebsstätten mehr zur Verfügung stünden.
Deshalb haben wir unser Programm vor allen Dingen auf die Infrastruktur ausgerichtet.
Das Programm ist aus meiner Sicht ein wichtiger, wie ich finde auch kraftvoller Schritt zur Bewahrung unserer vielfältigen Kulturlandschaft. Klar ist aber, dass wir damit die Krise noch immer
nicht überwunden haben. Klar ist auch, dass wir die vielen und vielgestaltigen Hilfsmaßnahmen der Länder, bei denen die Kulturhoheit ja liegt, weder ersetzen können noch wollen. Aber wir ergänzen
uns. Wir haben mal zusammengerechnet, was alle Länder bewirken. Das ist sicher in ähnlicher Höhe zu beziffern.
Es darf uns alle aber auch zuversichtlich stimmen, dass die Corona-Krise nicht nur zerstörerische, sondern auch schöpferische Kräfte mobilisiert hat. Das haben wir alle nicht zuletzt im Internet
in den letzten Wochen erlebt. Politisch jedenfalls tun wir – Länder und Bund gemeinsam – unser Allermöglichstes in der Überzeugung, dass wir der Kunst wie
auch der Kultur- und Kreativwirtschaft jene Inspiration, zuweilen auch die nötige Irritation verdanken, aus denen Innovationen entstehen, und in der Überzeugung, dass gerade in
der Kultur die Zukunftsmusik spielt.
Es bleibt am Ende meine Bitte, dass wir weiterhin an einem Strang ziehen. Ich möchte deshalb die Gelegenheit, hier zu reden, dazu nutzen, Ihnen, den Vertreterinnen und Vertretern der Länder, für
Ihre vielfältigen Maßnahmen bei Ihnen vor Ort, aber natürlich auch für die immer wirklich ehrlich gute Zusammenarbeit im Sinne eines echten kooperativen Kulturföderalismus zu danken. Ich finde, in der Kultur
kommt das sehr deutlich zum Tragen.
– Vielen Dank.
Die Bundesregierung unternimmt in dieser Krise alles nur Mögliche, um Künstlerinnen und Künstler zu unterstützen und die Zukunft der Kultureinrichtungen zu sichern. Bereits beschlossene Hilfsgelder in Milliardenhöhe und weitere Fördermaßnahmen, an denen in den Ministerien unter Hochdruck gearbeitet wird, spannen ein Sicherheitsnetz.
Ziel der Bundesregierung ist ein schneller und einfacher Zugang zu sozialer und betrieblicher Sicherung. Die hierfür erforderlichen gesetzlichen Änderungen wurden in dieser Woche von Bundesregierung und Deutschem Bundestag beschlossen, der Bundesrat muss noch zustimmen.
Maßnahmen der Bundesregierung:
Zusätzliche Maßnahmen der Kulturstaatsministerin
Weitgehender Verzicht auf Rückforderungen: Bei einem vorzeitigen Abbruch von geförderten Kulturprojekten und Veranstaltungen wird die BKM im Einzelfall prüfen, ob auf die Rückforderung bereits verausgabter Fördermittel verzichtet werden kann.
Umwidmung von Mitteln und Flexibilisierung von Programmen: Die BKM wird bestehende Förderprogramme konsequent so schärfen, dass die Maßnahmen sowohl Kultureinrichtungen als auch in Not geratenen Künstlerinnen und Künstlern und anderen in der Kultur- und Kreativwirtschaft tätigen Freiberuflerinnen und Freiberuflern zugutekommen.
Filmförderung: Gemeinsam mit den Länderförderern und der Filmförderungsanstalt (FFA) wurde die verstärkte Absicherung laufender Förderungen (insbesondere Produktion und Verleih) vereinbart. Dies soll u.a. erfolgen durch den Verzicht auf Rückforderungen, wenn Dreharbeiten pandemiebedingt abgebrochen bzw. Filme nicht herausgebracht werden, die Übernahme von Mehrkosten bei Verschiebungen und Unterbrechungen geförderter Projekte sowie eine vorrübergehend flexiblere Handhabung der Sperrfristen. Nähere Informationen finden Sie hier.
Anerkennung von Medienunternehmen als kritische Infrastrukturen: Um die Grundversorgung der Bevölkerung mit Informationen weiterhin sicherzustellen, setzt sich die BKM innerhalb der Bundesregierung und gegenüber den Ländern mit Nachdruck dafür ein, Medienunternehmen einschließlich ihres Vertriebs als anerkannte kritische Infrastrukturen von zwingenden Betriebsschließungen auszunehmen. Die für den journalistischen Betrieb notwendigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollen außerdem zum unabkömmlichen Personal der kritischen Infrastrukturen gezählt werden, um ihnen zum Beispiel Notbetreuung für ihre Kinder zu ermöglichen.
Zusätzliche Mittel als Nothilfe: Die BKM setzt sich über den bestehenden Haushalt hinaus dafür ein, zusätzliche Mittel für Kultur und Medien als Nothilfe zur Verfügung zu stellen, um die bereits entstandenen und noch entstehenden Belastungen zu mindern.
Weitere Initiativen
Kulturstiftung des Bundes (KSB): Die aus dem BKM-Haushalt finanzierte Kulturstiftung des Bundes bemüht sich einzelfallbezogen um geeignete Unterstützung für in Bedrängnis geratene Kulturschaffende. Wenn Veranstaltungen nicht mehr stattfinden können, können laufende Projekte die bisher angefallenen Ausgaben grundsätzlich geltend machen. Bestehende Projektförderungen können – falls möglich - durch Änderungen an die neue Situation angepasst werden. Nähere Informationen finden Sie hier.
Angebote auf Länderebene: Zahlreiche Bundesländer haben spezifische Hilfsprogramme und -maßnahmen für die Kultur- und Kreativwirtschaft beschlossen. Diese Programme können neben den Bundeshilfen in Anspruch genommen werden, solange keine Überkompensation erfolgt.
Maßnahmen auf europäischer Ebene: Auch auf europäischer Ebene werden Unterstützungsmaßnahmen ergriffen, von denen auch der Kultur- und Kreativsektor profitieren kann. Dazu gehören Hilfen für Kleinstunternehmen, kleine und mittlere Unternehmen (KMU) durch Garantiefonds über den Europäischen Investment Fund oder COSME (Competitiveness of SME) ebenso wie die „Corona Response Investment Initiative (CRII)“ der EU mit der Mittel für spezifische Maßnahmen im Zusammenhang mit Corona bereitgestellt werden sollen.
Darüber hinaus hat die Europäische Kommission sowie die EACEA (Exekutivagentur) zur Unterstützung des Kultur- und Kreativsektors angekündigt, bei der Umsetzung und Durchführung des Förderprogrammes Kreatives Europa mit ihren Säulen „MEDIA“ und „Kultur“ innerhalb der Grenzen des geltenden Rechtsrahmens die größtmögliche Flexibilität anzuwenden. Die BKM steht mit den zuständigen Stellen der Europäischen Kommission dazu in regelmäßigem Austausch. Eine Übersicht finden Sie hier.
Verwertungsgesellschaften: Aktuell können bei der Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten Inhaberinnen und Inhaber eines Wahrnehmungsvertrags aus der freien Szene eine einmalige Soforthilfe in Höhe von 250 Euro beantragen, wenn sie durch virusbedingte Veranstaltungsabsagen Honorarausfälle erlitten haben.
Die GEMA wird finanzielle Übergangshilfen für individuelle Härtefälle gewähren und dafür bis zu 40 Millionen Euro zur Verfügung stellen. Darüber hinaus entfallen für die Zeit der behördlich angeordneten Schließung von Betrieben deren GEMA-Vergütungen. Nähere Informationen und Antragsformulare finden Sie hier.
Stundung von Sozialversicherungsbeiträgen: Unternehmen und Betriebe, die sich aufgrund der Corona-Pandemie in Zahlungsschwierigkeiten befinden, können ihre Sozialversicherungsbeiträge stunden. Die Maßnahmen sind zunächst bis zum 30. April 2020 befristet und greifen, wenn andere Regelungen zur Entlastung ausgeschöpft wurden. Nähere Informationen finden Sie hier.