"Der Verweis auf die Grundsicherung wird von Künstlern oftmals als eine Zumutung empfunden. Trotz aller berechtigten Kritik an der Grundsicherung, der erleichterte Zugang zu diesem sozialen Sicherungssystem ist keine Zumutung, er ist ein Segen. Wäre man nicht diesen Weg gegangen, hätten tausende Künstlerinnen und Künstler ihre Wohnungen und damit oft auch ihre Arbeitsorte verloren und manche unter ihnen hätten sogar, mitten in Deutschland, Hunger leiden müssen. Die Argumentationen von manchen, die sagen, der Verweis auf die Grundsicherung sei eine Frechheit, vergessen, dass wir diese 'Zumutung' unter erheblich erschwerteren Voraussetzungen seit vielen Jahren mehr als vier Millionen Menschen in unserem Land zumuten. Dass die Pandemie innerhalb von wenigen Tagen die ökonomischen Bedingungen vieler Künstlerinnen und Künstler und vieler kulturwirtschaftlichen Unternehmen zum Zusammenstürzen bringen konnte, zeigt, wie dünn das Eis der ökonomischen Absicherung im Kulturbereich ist. Das ist die wirkliche Zumutung, und die muss endlich geändert werden."

Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, in: Corona versus Kultur - Newsletter Nr. 20 vom 25.6.2020


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22. April 2020

Corona: Kulturrat fordert im Kulturausschuss des Bundestages Nachbesserung bei der Künstlerhilfe und einen Kulturinfrastrukturfonds

Berlin, den 22.04.2020. Heute hat sich der Kulturausschuss des Deutschen Bundestages mit den Auswirkungen der Corona-Pandemie auf den Kultur- und Medienbereich befasst. Im Mittelpunkt standen die Auswirkungen auf die Kultur- und Kreativwirtschaft. Der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, Olaf Zimmermann, war im Ausschuss zu Gast und stand den Fragen der Abgeordneten Rede und Antwort.

In seinem Eingangsstatement stellte Olaf Zimmermann fest, dass die Soforthilfen des Bundes für Solo-Selbständige und Kleinunternehmen bei denjenigen greifen, die Betriebskosten wie gewerbliche Mieten u.ä. haben. An denjenigen, die aus ihrer Privatwohnung heraus arbeiten und kaum Betriebskosten haben, gehen die Hilfen aber vorbei. Olaf Zimmermann hat daher im Kulturausschuss konkret vorgeschlagen, dass ein Drittel der Hilfen für Solo-Selbständige (bis 9.000 Euro für drei Monate) als fiktiver Unternehmerlohn in Zukunft beantragt werden kann. Das würde für drei Monate einen fiktiven Unternehmerlohn von 3.000 Euro bedeuten, den Künstlerinnen und Künstler aus dem Programm dann erhalten könnten.

Weiter unterstrich Zimmermann, dass bislang ein echtes Kulturprogramm auf Bundesebene fehlt. Der gesamte Kulturbereich, von den Künstlerinnen und Künstlern, über die Kultureinrichtungen und Einrichtungen der kulturellen Bildung, die Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft bis zu den Kulturvereinen, ist von der Corona-Pandemie existenziell betroffen. Ein mächtiger nationaler Kulturinfrastrukturfonds wäre das richtige Instrument, um über die Bundeskulturverbände die Kulturlandschaft in Deutschland nachhaltig zu unterstützen.

Es muss jetzt abgesichert werden, dass auch im kommenden Jahr von Kultureinrichtungen, -unternehmen, -vereinen, -festivals und anderen mehr Aufträge an Künstlerinnen und Künstler vergeben werden können. Er unterstrich weiter, dass trotz Corona-Pandemie die laufende Gesetzgebung nicht vernachlässigt werden darf. Dazu zählt u. a. die Umsetzung der EU-Urheberrechtsrichtlinie. Gerade mit Blick auf die neu entstehenden digitalen Kulturangebote in der Corona-Krise ist es wichtig, dass die Künstlerinnen und Künstler eine angemessene Vergütung aus der digitalen Nutzung von Werken erhalten.


17. April 2020

 

KW 16: Corona-Krise: Nothilfe oder Zumutung?, Zeit für dicke Bücher!, Was wird für die Kultur getan, was muss noch getan werden?

  

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

die Situation ist für alle schwer. Viele sorgen sich um ihre Existenz, weil Auftrittsmöglichkeiten sofort verloren gegangen sind und vielleicht sogar noch für längere Zeit keine Möglichkeit bestehen wird, aus künstlerischen Auftritten Geld zu verdienen. Zusätzliche Verwirrung entsteht durch unterschiedliches Handeln der Länder und sehr verschiedene Unterstützungsmaßnahmen.

 

Doch besonders die Diskussion im Kulturbereich über die Zumutung der Grundsicherung hat etwas irrationales. Am 15. April liest man in der Süddeutschen Zeitung beispielhaft: „Frust, Wut und Fassungslosigkeit“. Und dann hervorgehoben: „Freischaffende Künstlerinnen und Künstler, denen die Aufträge wegbrechen, erhalten meist keine unbürokratische Hilfe von Bund und Ländern. Die meisten werden an die Grundsicherung verwiesen, also ins Hartz-IV-Programm genötigt.“

 

Werden Künstler wirklich genötigt? Worum geht es eigentlich?

 

Freischaffende Künstlerinnen und Künstler erhalten wie alle Solo-Selbständigen und Kleinunternehmen bei Liquiditätsengpässen in der Krise auf Antrag eine Einmalzahlung für drei Monate – je nach Betriebsgröße bis zu 15.000 Euro. Es geht bei diesem Bundesprogramm um die Überbrückung von akuten Liquiditätsengpässen. Diese laufenden Betriebskosten können unter anderem gewerbliche Mieten, Pachten, Kredite für Betriebsräume und Leasingaufwendungen umfassen, bezogen auf die drei der Antragstellung folgenden Monate.

 

Diese Regelung ist oftmals für freiberufliche Künstlerinnen und Künstler, aber auch andere Selbständige nicht passend, weil sie wenig Betriebsausgaben haben und deshalb die Unterstützungen nicht voll oder teilweise gar nicht ausschöpfen können. Aber nicht nur Künstler sind davon betroffen, sondern alle Selbständigen erhalten aus diesem Programm nur Unterstützung für die laufenden Betriebskosten. Die Kosten des privaten Lebensunterhalts wie die Miete der Privatwohnung oder Krankenversicherungsbeiträge sind eben nicht durch diese Soforthilfe abgedeckt.

 

Es ist deshalb sehr positiv, dass einige Bundesländer für Künstlerinnen und Künstler aus Landesmitteln mit eigenen Programmen hier gegensteuern. Aber es ist schon sehr gewöhnungsbedürftig, dass fast jedes Bundesland sein eigenes Kulturförderprogramm gestrickt hat und es macht für Künstlerinnen und Künstler, für Kultureinrichtungen und kulturwirtschaftliche Betriebe einen spürbaren Unterschied, in welchem Bundesland sie ihren Sitz haben und damit ein gutes, ein weniger gutes oder überhaupt kein Notprogramm des Sitzlandes nutzen können. Für diesen Förderflickenteppich gibt es keinen nachvollziehbaren Grund! Er ist einfach nur zutiefst ungerecht.

 

Wenn die Existenz von Künstlerinnen und Künstler trotz der Unterstützungsmaßnahmen von Bund und Ländern akut bedroht ist, ist die Grundsicherung die Notlösung. Die Betonung liegt auf NOTLÖSUNG!

 

Unter anderem greift hier für sechs Monate eine wesentlich vereinfachte Vermögensprüfung und Aufwendungen für Unterkunft und Heizung werden für die Dauer von sechs Monaten ab Antragstellung in tatsächlicher Höhe anerkannt.

 

Trotzdem kursieren im Kulturbereich falsche und/oder veraltete Informationen zur Grundsicherung, die erhebliche Verwirrung stiften. Im neu geregelten § 67 SGB II zur Grundsicherung steht, dass, nur wenn ein erhebliches Vermögen vorliegt, Grundsicherung nicht gewährt werden kann. Die Bundesagentur für Arbeit hat nun klargestellt, welches verwertbare Vermögen (also Barmittel oder sonstige liquide Mittel wie Girokonten, Sparbücher, Schmuck, Aktien oder Lebensversicherungen) diejenigen, die Grundsicherung beantragen, haben dürfen. Bei der ersten Person im Haushalt sind dies 60.000 Euro und für jede weitere Person 30.000 Euro. Eine vierköpfige Familie kann demnach ein verwertbares Vermögen von 150.000 Euro haben und dennoch Grundsicherung nach der befristet geltenden Neuregelung erhalten.

 

Während des Bezugs der Grundsicherung muss die Selbständigkeit selbstverständlich nicht aufgegeben werden, wie es vielfach behauptet wird. Im Gegenteil, es ist das Ziel, dass die Selbständigkeit möglichst schnell wieder aufgenommen werden kann. Dazu gehört selbstverständlich auch, dass die Arbeitsgeräte wie z.B. wertvolle Instrumente bei Musikern nicht veräußert werden müssen, wenn sie für die Selbständigkeit benötigt werden.

 

Natürlich ist die Grundsicherung keine Kulturförderung, sondern sie ist eine solidarische Maßnahme unserer Gesellschaft, also von uns allen, damit diejenigen, die in akute Not geraten, darin nicht umkommen.

 

Aber richtig ist, diese Maßnahmen reichen eindeutig nicht aus, um den Kulturbereich über die Krise zu bringen. Wir schlagen deshalb schon seit Wochen vor, einen nationalen Kulturinfrastrukturförderfonds einzurichten. Die Auswirkungen der Corona-Pandemie werden noch sehr lange zu spüren sein. Wir brauchen deshalb eine funktionierende kulturelle Infrastruktur, damit auch in der Zukunft Aufträge an Künstler vergeben werden können und Kulturorte erhalten bleiben. Aber auch Künstlerinnen und Künstler sollen unmittelbar Nutznießer dieses Fonds sein können. Statt sich in Forderungen für einzelne kulturelle Bereiche zu verlieren, ist es jetzt Zeit, gemeinsam zu handeln.

 

Der ehemalige Innenminister Gehard Baum hat gerade im Tagesspiegelzur Unterstützung dieser Idee aufgerufen: „Gefordert ist ein spezieller Kulturnothilfefonds des Bundes, also ein temporärer kulturspezifischer Rettungsfonds, der die Lücken schließt, auch in Richtung auf die kulturellen Einrichtungen, der privaten wie der öffentlichen. Diese vom Deutschen Kulturrat und vom Kulturrat NRW, dessen Vorsitzender ich bin, getragene Initiative ist von der Seite des Bundes bisher ohne positives Echo geblieben. Das ist umso erstaunlicher, als der Bund für Mehrausgaben der einzelnen Ressorts einen Fonds von 60 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt hat. Bisher ist nicht erkennbar, was davon an die Kultur geht. Wer kämpft im Bundestag jetzt für die Durchsetzung kultureller Belange? Dort gibt es doch einen Kulturausschuss. Warum setzt sich die zuständige Kulturstaatsministerin nicht an die Spitze der Bewegung?“

 

Die Kultur kann Antworten auf die durch die Krise ausgelösten gesellschaftlichen Verwerfungen geben. Jetzt muss die Bundeskultur groß denken und die notwendigen Mittel für einen nationalen Kulturinfrastrukturförderfonds aus dem Notfalltopf der Bundesregierung einfordern. Kultur ist gerade in der Krise überlebenswichtig für die gesamte Gesellschaft.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Olaf Zimmermann

Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates


26. März 2020

 

Kultur ist in der Krise Lebensmittel: Nationaler Kulturinfrastrukturförderfonds notwendig!

Bundeskultur muss groß denken und die notwendigen Mittel für einen nationalen Kulturinfrastrukturförderfonds aus den Notfalltopf der Bundesregierung abfordern

  

Berlin, den 26.03.2020. Der Deutsche Kulturrat, der Spitzenverband der Bundeskulturverbände, ist froh, dass Bund und Länder so schnell Hilfspakete auf den Weg gebracht haben. Morgen wird der Bundesrat über die gestern vom Deutschen Bundestag verabschiedeten Hilfspakete entscheiden. Nachdem die Gesetze in Kraft getreten sind, wird der Weg für die Umsetzung frei sein.

 

Betriebskostenzuschüsse und ALG II sind hilfreiche Notmaßnahmen, die auch dem Kulturbereich zugute kommen können. Hieraus kann aber nicht kulturelle Infrastruktur finanziert werden. Wir brauchen daher jetzt einen Kulturinfrastrukturförderfonds. Private Kultureinrichtungen, öffentlich geförderte Kulturinstitutionen, Kulturvereine und kulturwirtschaftliche Betriebe müssen auch weiterhin ihre Aufgaben erfüllen können. Deshalb brauchen sie Unterstützung aus einem Kulturinfrastrukturfonds des Bundes. Jetzt!

 

Der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, Olaf Zimmermann, sagte: „Erste Maßnahmen zur Unterstützung des Kulturbereiches haben die Bundesregierung und die Länder auf den Weg gebracht. Sie reichen aber bei weitem nicht aus. Wir schlagen deshalb als dringende weitere Unterstützungsmaßnahmen vor, einen nationalen Kulturinfrastrukturförderfonds einzurichten. Die Auswirkungen der Corona-Pandemie werden noch lange zu spüren sein. Wir brauchen deshalb eine funktionierende kulturelle Infrastruktur, damit auch in der Zukunft Aufträge an Künstler vergeben werden können und Kulturorte erhalten bleiben. Die Kultur kann Antworten auf die durch die Krise ausgelösten gesellschaftlichen Verwerfungen geben. Jetzt muss die Bundeskultur groß denken und die notwendigen Mittel für einen nationalen Kulturinfrastrukturförderfonds aus dem Notfalltopf der Bundesregierung abfordern. Kultur ist gerade in der Krise Lebensmittel.“


11. März 2020

 

Corona-Pandemie: Kulturrat fordert Notfallfonds für Künstlerinnen und Künstler

Notfallfonds sollte von der Kulturstiftung der Länder und der Kulturstiftung des Bundes gemeinsam verwaltet werden

  

Berlin, den 11.03.2020. Der Deutsche Kulturrat, der Spitzenverband der Bundeskulturverbände, hat Verständnis dafür, dass Theater und Konzerthäuser aufgrund der Corona-Pandemie ihren Betrieb eine begrenzte Zeit beschränken oder sogar einstellen müssen. Gerade diese Häuser werden häufig von den Risikogruppen besucht.

 

Wichtig wird sein, dass die entstehenden Einnahmeausfälle durch abgesagte Aufführungen oder Veranstaltungen bzw. zurückgegebene Tickets bei öffentlichen Kultureinrichtungen von den öffentlichen Händen, vor allem den Ländern und Kommunen, kompensiert werden. Auch der Bund sollte gegebenenfalls einspringen. Auch privatwirtschaftliche Kultureinrichtungen, deren Existenz von den Erlösen aus Ticketverkäufen abhängt, brauchen Unterstützung. Hier ist besonders die Kultur- und Kreativwirtschaftsförderung von Bund und Ländern gefragt.

 

Große Sorgen macht dem Deutschen Kulturrat die Situation freiberuflicher Künstlerinnen und Künstler und anderer Selbständiger aus dem Kultur- und Medienbereich. Mit der Absage von Aufführungen, Tagungen,  Veranstaltungen usw. droht ein erheblicher Teil von deren Einnahmen wegzubrechen. Das kann sehr schnell existentielle Auswirkungen haben.

 

Der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, Olaf Zimmermann, sagte: „Jetzt können Bund und Länder beweisen, dass sie es mit dem kooperativen Kulturföderalismus ernst meinen. Ein gemeinsamerNotfallfonds von Bund und Ländern könnte rasch und unbürokratisch betroffenen Künstlerinnen und Künstlern aus der Not helfen. Wir fordern daher den Vorsitzenden der Kulturministerkonferenz Staatsminister Bernd Sibler und Kulturstaatsministerin Monika Grütters MdB auf, schnell zu reagieren und einen Notfallfonds einzurichten. Ein solcher von Bund und Ländern zusammen getragener Notfallfonds sollte bei derKulturstiftung der Länder und der Kulturstiftung des Bundesgemeinsam eingerichtet werden. Beide Stiftungen sind sehr erfahren mit der Vergabe von öffentlichen Mitteln und können auch gut zusammenarbeiten.“