"Mühelos entstand ein Wortmarkt, dessen Sitz sich keineswegs von dem der Versteigerung unterschied. Es wurden hier Erwiderungen, Berechnungen, Tricks, umsichtige Finten von Händlern ausgetauscht. Die Produkte der Rede erfuhren hier lange vor den andren eine Rationalisierung: ein einziges Modell zwang sich auf. Als hätte man bei seiner Festlegung die allerärmsten Bedürfnisse und Kaufmöglichkeiten in Betracht gezogen. Man setzte klare und haltbare einfache Größen in Umlauf. Die Macht des Marktes befreite die Menschen von ihren großen inneren Kräften."
Jean-Paul Sartre (21.6.1905 - 15.4.1980), in: LEGENDE DER WAHRHEIT (Juni 1931)

 

Tom de Toys, 24.11.2020

PARALLELEN ZWISCHEN EHRENKÜNSTLERN & EHRENPFLEGAS ALS POPKULTUR

 

Das ganze Gejammer der sogenannten angeblichen "Soloselbständigen" über ihre idealistisch ersehnte Systemrelevanz von Kultur mit ihrem "emotionalen Vorbehalt" gegenüber der angeblich respektlosen Grundsicherung (ohne Hartz4-Bedingungen!), weil sie sich in ihrer Ehre, ihrem Stolz, ihrer Würde als Kulturschaffende beleidigt fühlen (im Gegensatz zu anderen arbeitslosen Berufsgruppen, die dankbar und froh sind, daß der Sozialstaat sie auffängt!), erzeugt bei mir aus dreierlei Gründen nur bitteres Fremdschämen: 1) handelt es sich bei dieser Randgruppe des Kulturbetriebs gar nicht um echte Selbständige im gewerblichen Sinne (ansonsten wären sie aufgrund des definierten Mindestjahreseinkommens KSK-Mitglied und bekämen Soforthilfe und ALG1), sondern um chaotisch kreative "Freischaffende", die aus persönlichen Gründen trotz ihres prekären Lebens am Rande der Armutsgrenze kein Hartz4 bezogen und das auch weiterhin nicht wollen; 2) haben diese Kreativlinge seit Jahren versäumt, sich auf das digitale Zeitalter umzustellen, um sich SELBER AKTIV um die Produktion virtueller Kunstangebote und die strategische Vermarktung dieser dann gesellschaftlich verwertbaren Produkte zu kümmern, sondern wollen stattdessen kulturloses Steuergeld ohne Gegenleistung erhalten mit dem romantischen Scheinargument, daß Kultur als "geistig-seelischer Mehrwert" im Kapitalismus genau so existenziell wie die Luft zum Atmen behandelt werden möge; und 3) sind diese Dornröschenschlaf-Kreativlinge erst dank Corona bereit, sich in panisch aus dem Boden gestampften Projekten zu organisieren und zu verausgaben, ohne aber bereits längst vorher und auch nicht jetzt neue NACHHALTIGE kulturpolitische Strukturen zu entwickeln, wie die Kulturpartei sie bereits 2006 forderte und ich es seit 2014 namentlich mit dem Konzept des Subkulturministeriums tue (siehe www.OFFSZENE.de, damals übrigens aus Enttäuschung über "DIE LINKE", die auch rein pro forma über Kulturparagraphen in ihrem Parteiprogramm verfügt, ohne dafür konkret strukturell statt nur punktuell symptomatisch zu kämpfen!), das weder von der Kreativszene selbst geschweige denn von Politikern analysiert und instrumentalisiert wird - von welcher Partei auch!!!??? Alle lieben Kultur, aber keiner will sich dafür tatsächlich einsetzen, wenn sie nicht als Prestigeobjekt zur elitären Staatskunst taugt. Es gibt leider erstaunliche Parallelen zwischen der Kreativwirtschaft (Geist) und der Pflegebranche (Körper), die in der Pandemiekrise am meisten mediale Aufmerksamkeit (Seele) bekommen, da sie beide schlichtweg zu den sichtbarsten Beispielen für Systemrelevanz avanciert sind, obwohl eigentlich ALLE BERUFE (außer den sich selber Diäten-erhöhenden Politikern und sich selber Boni-ausschüttenden Börsenspekulanten) in einem Sozialstaat als Steuerzahler basissystemrelevant sind: sowohl die Kulturszene als auch die Pflegebranche werden von Ehrenministan nur insoweit unterstützt, wie sie sich selber erkämpfen! Da sich die wenigsten Künstler & Pfleger aber aktiv gegen das popindustrielle Preisdumping im Kulturbetrieb & Gesundheitssystem engagieren, sondern im alltäglichen Arbeitsstress und Inspirationsrausch ertrinken, versuchen die Ehrengesundheitsministas und Ehrenkulturministas lediglich, die Öffentlichkeit mit verständnisvoll klingenden Hohlformeln zu hypnotisieren, die zu goldenen Strohhalmen gegen das systemische Ertrinken aufgebläht werden! Aber genau wie die Börsenblase platzen auch die Kulturblase & Pflegeblase genau dann, wenn Kulturschaffende und Pfleger am dringendsten gebraucht werden! Sowohl die Kulturpolitik als auch die Gesundheitspolitik können nur dann zu systemrelevanten Reformationen führen, wenn sich die betroffenen Berufsgruppen radikal für ihre soziale Relevanz engagieren. Solange Pfleger & Künstler nicht radikal genug gegen ihre systemische Situation protestieren, wird sich KEIN EHRENMINISTA jemals seine eigenen Ehrenlobbyisten (Pharmaindustrie, Popindustrie, Privatinvestoren, Privatsender, analoge und digitale Großkonzerne zur Vermarktung von Stars und Standards) vergraulen. Das ganze Coronaspektakel ist an sich schon zum popkulturellen Kammerspiel ohne Regisseur verkommen, in dem es nur überbezahlte Protagonisten und zahlende Zaungäste gibt. NIEMANDEN AUF DER BÜHNE INTERESSIERT WIRKLICH, WER (KUNDEN) ODER WAS (KULTUR) BACKSTAGE STIRBT, SO LANGE DIE MEDIENZOMBIES ZUSCHAUERREIHEN FÜLLEN - DER TRAUERGEMEINDE WIRD NUR EIN TROSTSPENDENDER BLUMENSTRAUSS FÜR DAS MASSENGRAB GESCHICKT!!! ABER DIE ZEIT DER TROSTPFLASTER KAPITALISTISCHER AUSBEUTUNG IST UM, DENN DAS VOLK SELBER IST SYSTEMRELEVANT! BÜRGER, ERWACHE AUS DER POLITHYPNOSE! DIE SELBSTAUSBEUTUNG HAT EIN ENDE! DER EHRENKAPITALISMUS IST GEPLATZT - RETTEN WIR DIE SOZIALE IDEE, BEVOR SIE VON DER ASOZIALEN ELITE IRREVERSIBEL AUS DEM KOLLEKTIVEN GEDÄCHTNIS GELÖSCHT WURDE! DIE STRUKTURELLE DIKTATUR MUSS KOLLEKTIV DURCHSCHAUT UND STRUKTURELL ENTMACHTET WERDEN! Kommunikation ist die neue Popkultur! Wer nicht mit dem Volk kommuniziert, fliegt raus!

 

-> Vorläufer-Essay: "URVERTRAUEN & VERTRAUENSVERLUST (CANCEL CULTURE AUS ANGST VOR CANCER CULTURE)"

 

-> Nachfolge-Essay: "SUBKULTUR ALS SOFAKULT"